Marie-Sophie Maasbrug / Lobkowicz
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Gerne unbequem - Glaubensschritte des Fürstenpaares Castell

Dankbar für ein facettenreiches Leben

Es ist kein geradliniger Weg, den dieses Buch beschreibt. Als Albrecht Fürst zu Castell-Castell im Frühjahr 1945, noch keine 20 Jahre alt, aus dem Krieg zurückkommt, ist nicht nur der ältere Bruder, sondern auch sein Vater gefallen. Somit ist er alleine verantwortlich für Mutter, Schwestern, den gesamten Besitz und die Mitarbeiter.

Die Autorin mit dem Fürstenpaar Castell
Die Autorin mit dem Fürstenpaar Castell

Er zögert nicht, absolviert zunächst eine Landwirtschaftslehre, sucht und findet fähige Mitarbeiter und Verwalter für die Landwirtschaft, den Weinbau und die Fürstlich Castell'sche Bank, das älteste Kreditinstitut Bayerns. Als er nach 50 Jahren an der Spitze des Unternehmens 1996 seinem Sohn Ferdinand das Unternehmen übergibt, sind aus zwei Hektar Weinbergen durch Flurbereinigung und Zukäufe 70 Hektar geworden.

Seine Frau Marie-Louise, eine geborene Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont, und er bekommen acht Kinder. Zwei davon sterben früh, die kleine Tochter an einer Virusinfektion, der älteste Sohn auf einer Fahrt von der Bundeswehr nach Hause. Inzwischen haben sie 30 Enkelkinder und vier Urenkel.

In einer Krise haben beide vor mehr als 40 Jahren zum lebendigen Glauben gefunden. Im Rückblick sehen sie sich dankbar als Geführte. Geführt und geborgen in Gottes Barmherzigkeit und Gnade.

Eine bewegende, ungewöhnliche Reise durch das geistliche Leben des Fürstenpaares, geschrieben von ihrer Enkelin Marie-Sophie Maasburg (geb. Lobkowicz), die durch ihr Erstlingswerk "Ich werde da sein, wenn du stirbst" weithin bekannt geworden ist.

Leseprobe

Der Kern ihrer (Marie-Louise Zu Castell-Castell) Vorträge ist immer Versöhnung, weil das auf Grund ihrer persönlichen Erfahrung für jeden Menschen das Allerwichtigste ist. Versöhnung mit Gott, Versöhnung mit sich selbst, Versöhnung mit dem Nächsten- Versöhnung in jeder Beziehung. Das spiegeln die Themen ihrer Vorträge wider: "Du hast mir weh getan", "Heilung der Erinnerung", "Harmonie in den Beziehungen", "Vorbereiten aufs Sterben ist Hilfe zum Leben", "Gebet in Ehe und Familie", "Selbstannahme" oder auch "Haushalterschaft". Sehr lebendig erzählt sie, wie es dazu kam und gewesen ist: "Die Themen habe ich mir nach und nach erarbeitet und dafür viel von Maria Prean gelernt: Zum einen den Vortrag sehr authentisch zu gestalten, aus meinem Leben zu erzählen und dann auch die ganze Gruppe zur persönlichen Entscheidung zu führen. Außerdem auch immer den Heiligen Geist einzuladen und schließlich auch bereit zu sein, mich selbst zu blamieren." Das ist ihr offenbar nur ein einziges Mal passiert; damals merkte sie bereits beim Sprechen, dass ihre Worte wie gegen eine Betonwand stießen. Sonst erlebt sie meistens, dass die Stille, die sie anbietet um zu überlegen, welches die Beziehung ist, in die als erstes Versöhnung kommen solle, sehr tief ist. Viele der Anwesenden lassen sich auf diese Stille ein, die Raum für eigenes Nachdenken schafft. "Bei einem der großen Landfrauentage waren auch Bedienungen im Saal bei der Arbeit, irgendwann setzten sie sich dann dazu und beteten mit."

Aus ihrer Erfahrung mit über einhundert Treffen dieser Art hat sich ein reicher Schatz an unvergesslichen Erinne- rungen angesammelt. Mit einem gewissen Schalk in den Augen erzählt sie und ahmt dabei wunderbar den fränkischen Dialekt nach: "Einmal kam ich in den Steigerwald in eine Bäckerei. Da schaute mich die Verkäuferin fragend an und sagte dann in starkem Dialekt: "Sind sie nicht dera Fra' vom Frühstückstreffen?" Ich bejahte und da erzählte sie: "Ich hab des fei gemecht was sie gesagt haben mit der Vergebung und jetzt ist es ganz annerscht in unserer Familie. Wir waren so überzwech miteinander, aber nun ist es besser."

Ein anderes Mal hatte die Organisatorin für einen Vortrag in den Neuen Bundesländern kurzfristig Bedenken wegen des adeligen Namens und fragte meine Großmutter, ob das gelingen könnte bzw. wie die Menschen reagieren würden. Sie wollte absagen. Meine Großmutter blieb jedoch fest und meinte, "egal wie viele kommen, wir sollten den Vortrag durchführen." Als sie dann hinkam, wurde ihr gesagt, dass sich so viele angemeldet hätten, dass es ein Frühstück und eine Abendveranstaltung geben müsse. Gerade in den neuen Bundesländern war eine große Offenheit für ihre Vorträge zu spüren und einige der Hörerinnen kamen hinterher noch zu seelsorgerischen Gesprächen.

Unvergesslich bleiben ihr die Besuche im Frauengefängnis Aichach. Zweimal wurde sie gebeten, vor den dort inhaftierten Frauen zu sprechen. "Dort thematisierte ich Versöhnung und dass wir sie alle bräuchten. Die Frauen dort, weil sie, wenn sie unschuldig wären, ja nicht eingesperrt sein müssten und auch ich, weil wenn alle unguten Gedanken meines Herzens zur Ausführung gekommen wären, ich auch eingesperrt gehörte. Wir alle brauchen Vergebung, um befreit zu leben. Und wir haben die Freiheit, die Vergebung, die Jesus am Kreuz für jeden von uns und in unermesslicher Höhe erwirkt hat, anzunehmen. Es ist eine Sache unseres Willens, diese Vergebung für uns in Anspruch zu nehmen und sie dann auch weiterzugeben. So wie es im Vater Unser heißt: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern." Es ist eine Entscheidung des Willens - nicht des Gefühls." Das sagt sie mit voller Überzeugung und erzählt weiter: "Als ich das ausgeführt hatte, gingen wir in kleinere Gruppen. Ich hatte noch Monika Baumann zum Mitbeten dabei.

In meiner Gruppe kam eine Frau mit funkelnden Augen auf mich zu und sagte: Das war ja alles schön und gut, was sie sagen, aber ich sitze hier wegen Mord und das aufgrund der Aussage meiner eigenen Schwägerin. Das kann und will ich ihr nicht vergeben. Da war ich erstmal still, nahm sie dann aber an der Hand und sagte zu ihr, dass ich ihre Haltung verstehen würde und dass sie auch die Freiheit habe an diesem Groll festzuhalten. Aber wenn sie mir nur einen Funken Vertrauen schenken, so entscheiden sie jetzt, ihrer Schwägerin zu vergeben, so wie Jesus ihnen vergeben hat. Sie sagte: Nein, das kann ich nicht - was soll ich denn sagen Da sprach ich ihr vor und sie sprach es mir nach: Herr Jesus Christus, ich vergebe meiner Schwägerin (hier setzte sie dann selbst den Namen ein) so wie Jesus mir vergeben hat. Amen. Danach konnte ich nur noch einen Segen über ihr beten und unsere Zeit war vorüber."

Ich kann nicht anders als den Mut meiner Großmutter zu bewundern und bin ganz gespannt, als ich höre, dass das nicht das Ende dieser Begegnung gewesen ist. Ein Jahr später kam sie wieder nach Aichach "Da kam eine hübsche junge Frau auf mich zu und fragte: "Kennen Sie mich noch?", was ich verneinen musste. Da sagte sie, ich möchte mich bei Ihnen bedanken, ich bin die, die Sie voriges Mal zur Vergebung gezwungen haben. Wenn ich das nicht gemacht hätte, wäre ich nicht mehr am Leben, ich hatte meinen Selbstmord schon vorbereitet, aber dann ist so ein großer Friede in mich gekommen, dass ich beschlossen habe, das Beste aus der Zeit hier zu machen, die ich noch bleiben muss. Nun bin ich sicher, dass mein Leben gut weitergeht."

Dieses Erlebnis erzählt sie gerne, damit deutlich wird, welche Macht im Namen Jesu liegt. Sie hat keine Ahnung, ob diese Frau je eine Kirche von innen gesehen hat, aber sie hat in einem entscheidenden Moment ihres Lebens, Jesus als den wahrhaft Auferstandenen erfahren und begriffen. Sie erklärt weiter: "Vergebung ist ein durch Jesus in unermesslicher Höhe eingerichtetes Konto, das für jeden Menschen zur Verfügung steht. Aber es nützt uns gar nichts, wenn wir nicht hingehen und dieses Geschenk abholen und weitergeben. Viele Menschen werden durch ihren Stolz daran gehindert. Man möchte sich nichts schenken lassen, sondern lieber versuchen, seine Dinge allein wieder in Ordnung zu bringen. Oder aber man will sie auch lieber so lassen wie sie sind."

Häufig wird ihr die folgende Frage, die auch mir schon auf der Zunge liegt, gestellt: "Was ist denn, wenn ich jemandem vergebe und derselbe nimmt das nicht an?" Sie antwortet dann immer, "Es geht um die Freiheit der Person, die bereit ist zu vergeben. Wenn man nämlich nicht vergibt, bleibt man negativ an die andere Person gebunden. Uns ist umsonst vergeben worden, deshalb dürfen und sollen wir auch vergeben, ohne dafür eine Gegenleistung zu erwarten. Solange ich nicht vergebe, bleibe ich freiwillig in der Rolle des Opfers. Besonders bei Missbrauchsopfern ist es sehr wichtig, dass sie durch die Vergebung ihre Würde zurückbekommen." Wenn sie so spricht, strahlt sie etwas aus, das schwer zu beschreiben ist. Sie erzählt sehr locker und auch mit Witz, dennoch gehen ihre Worte tief.

"Ein enger Zusammenhang besteht auch zwischen Vergebung und Heilung. Ich bete seit Jahren, wenn es sich anbietet, gerne für Kranke und habe bei diesen Gebeten kaum erlebt, dass nicht auch eine Vergebung in irgendeiner Richtung notwendig gewesen wäre. Der Heilige Geist leitet einen dabei ganz wunderbar, so dass man mit dem Betroffenen zusammen herausfinden kann, wo eine Last liegen könnte."

Sie beendet ihre Erzählung mit dem Beispiel einer jungen Frau: "Sie kam auf einer Tagung auf mich zu und bat mich um ein Gebet für ihre Nase, weil sie seit Jahren nicht riechen und deshalb natürlich auch nicht schmecken könne. Ich legte meine Finger auf ihre Nase und betete, aber nichts geschah. Ich fragte sie, was sie denn ungern gerochen habe, bevor sie diese Fähigkeit verloren habe. Sie fing an zu weinen und sagte nur: "Rauch". Sie war Bankbeamtin und immer wenn jemand kam, der nach Rauch roch, war das ganz schrecklich. Ich fragte sie: "Können Sie den Rauch mit einer Person verbinden?" Nun wurde ihr Weinen stärker und sie erzählte von ihrem Großvater. Der hatte ihre Mutter abgelehnt, ihre ganze Familie zerstört - und er rauchte immer dicke Zigarren. Ich erinnerte sie an das, was wir auf der Tagung gehört hatten und fragte sie, ob sie bereit sei, ihrem Großvater alles zu vergeben, was er ihrer Familie angetan hatte. Dazu war sie bereit und ich betete anschließend noch einmal für ihre Nase. Abends konnte sie riechen, was wir mit einer Rose testeten. So ist wahr, was im 1. Petrusbrief 2, 24 steht: Durch seine Wunden seid ihr geheilt!"

Gerne unbequem - Glaubensschritte des Fürstenpaares Castell
216 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag, Format 12,5 x 18,7 cm
ISBN 978-3-86827-564-3
€ 12,95 Euro / SFr. 19,50 / € [A] 13,40
Erscheinungsdatum: Februar 2016

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